(ip/RVR) In seiner Entscheidung vom 9. Juni diesen Jahres hatte sich der BGH mit einem Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners wegen Suizidgefährdung auseinanderzusetzen. Danach könne ein Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass ergriffene Maßnahmen der zuständigen Behörde ausreichend sind und grundsätzlich keine weiteren Maßnahmen vonseiten des Vollstreckungsgerichts zu veranlassen sind, wenn sich die Behörde des Schuldners angenommen hat.

Das schuldnerische Grundstück sollte zwangsversteigert werden. Nach sachverständiger Beratung wurde das Verfahren auf Antrag des Schuldners einstweilen eingestellt, da der Verdacht bestand, er werde sich im Falle der Versteigerung das Leben nehmen. Verbunden wurde diese Einstellung mit Auflagen einer stationären Behandlung, ärztlicher Untersuchung und Einrichtung einer Betreuung.

Der Schuldner brach jedoch die Behandlung ab und beantwortete auch nicht die Fragen des Arztes hinsichtlich seiner Suizidabsichten, woraufhin das Vollstreckungsgericht die Verfahrensfortsetzung anordnete und einen Versteigerungstermin festsetzte. Der Schuldner beantragte erneut die Einstellung des Verfahrens nach § 765a ZPO. Am Tage vor dem Versteigerungstermin erfuhr das Gericht, dass der Schuldner wegen Suizidgefährdung auf Anordnung des Gesundheitsamts in einem Krankenhaus untergebracht wurde. Gleichviel wies es den Antrag zurück und führte die Versteigerung durch.

Die Rechtsbehelfe gegen die Zurückweisung des Einstellungsantrags und gegen die Zuschlagsbeschlüsse blieben in allen Instanzen erfolglos.

Der V. BGH-Senat führte dazu im Wesentlichen aus: Der Vollstreckungsschutzantrag sei unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Zwangsversteigerung auch dann nicht ohne weiteres einzustellen, wenn damit eine konkrete Gefahr für Leib und Leben des Schuldners verbunden sei. Stets sei das ebenso grundrechtlich geschützte Vollstreckungsinteresse des Gläubigers in eine sorgfältige Interessenabwägung einzubeziehen. Letzterem sei der Vorzug zu geben, wenn der Suizidgefahr auch anders als durch Einstellung des Vollstreckungsverfahrens wirksam begegnet werden könne, etwa durch Ingewahrsamnahme oder Unterbringung. Das Vollstreckungsgericht könne gegebenenfalls verpflichtet sein, solche Maßnahmen bei der zuständigen Behörde anzuregen. Umgekehrt könne das Verfahren fortgesetzt werden, wenn diese primär zuständigen Behörden derartige Maßnahmen nicht für erforderlich halten.

Am Tage vor dem Versteigerungstermin erfuhr das Gericht von der Zuspitzung der Suizidgefahr – ebenso aber auch davon, dass sich das zuständige Gesundheitsamt dem Schuldner angenommen und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte. Dieses Tätigwerden führe zur Fortsetzbarkeit des Vollstreckungsverfahrens, weil das Gericht davon ausgehen könne, die Behörde veranlasse alles Notwendige im Bezug auf den Gesundheitsschutz des Schuldners.

Maßnahmen neben oder ergänzend zu denen des Gesundheitsamts hätte das Vollstreckungsgericht nur ergreifen müssen, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichten oder sich konkrete neue Gesichtspunkte für eine entscheidende Änderung der Lage ergeben hätten.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH vom 09.06.2011, Az. V ZB 319/10

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