(ip/RVR) Befindet sich der Wohnungseigentümer in der Insolvenz, so sei die Wohnungseigentümergemeinschaft wegen bevorrechtigter Hausgeldansprüche ohne vorherige Beschlagnahme des Wohnungseigentums absonderungsberechtigt, soweit diese Ansprüche vor Insolvenzeröffnung fällig wurden. Das Vorrecht entstehe hierbei mit der Verfahrenseröffnung. So der IX. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 21.07.2011.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft wollte wegen Hausgeldansprüchen aus den Jahren 2006 und 2007 in die Wohnungen der schuldnerischen Eigentümerin gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 ZVG vollstrecken. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Insolvenzverfahren über die Schuldnerin eröffnet. Deshalb beantragte die Klägerin die Verurteilung des Insolvenzverwalters auf Zahlung, hilfsweise auf Duldung der Zwangsversteigerung. Das Wirtschaftsjahr 2006 wurde durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft vor Insolvenzeröffnung abgerechnet, das Wirtschaftsjahr 2007 hingegen nach Insolvenzeröffnung.

Das AG gab der Klage hinsichtlich des Duldungsverlangens statt. Das LG bestätigte in der Berufung diese Entscheidung. Der Beklagte erreichte in der Revision die Aufhebung des Berufungsurteils. Der erkennende Senat verwies die Sache jedoch zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.

Das Berufungsgericht meinte, der Insolvenzverwalter müsse die Zwangsversteigerung dulden, da die Klägerin nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG i. V. m. § 49 InsO hinsichtlich beider Ansprüche absonderungsberechtigt sei.

Der BGH konsternierte, dies sei nur zum Teil richtig. Hausgeldansprüche, die vor Insolvenzeröffnung fällig würden, seien Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG i. V. m. § 49 InsO könne der Eigentümergemeinschaft wegen dieser Ansprüche ein Absonderungsrecht zustehen, welches im Absonderungsstreit gegen den Verwalter durchgesetzt werden könne. Nach Insolvenzeröffnung fällig werdende Ansprüche seien hingegen Masseschulden nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO. Hinsichtlich solcher Ansprüche sei die Duldungsklage daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht habe zur Qualifikation der Ansprüche jedoch keine Feststellungen getroffen (weshalb auch das Berufungsurteil aufgehoben wurde). Richtig sei aber, dass wegen Insolvenzforderungen im Umfang des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG nach § 49 InsO ein Absonderungsrecht bestehe. Sinn und Zweck des Vorrechts aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG sei an sich die Stärkung der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dinglich gesicherten Kreditinstituten. Damit solle erreicht werden, dass die Wohnanlage insgesamt nicht verfalle und an Wert verliere, wenn die Hausgeldansprüche nicht realisiert werden könnten. Mittelbar komme der Werterhalt auch den Kreditgebern zu Gute. Dasselbe gelte auch im Insolvenzverfahren, weshalb auch hier die Privilegierung der Hausgeldansprüche erhalten bleibe.

Wegen der Verweisung in § 49 InsO stünden der Klägerin die gleichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Hausgeldansprüche zu, wie außerhalb der Insolvenz. Deswegen habe die Klägerin ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück im Wege der abgesonderten Befriedigung, ohne dass eine Beschlagnahme des Wohnungseigentums vor Insolvenzeröffnung erforderlich sei.


Der BGH schloss sich dabei nicht der Literaturauffassung an, nachdem das Vorrecht erst mit der Beschlagnahme des Grundstücks nach § 20 Abs. 1 ZVG entstehe. Diese Auffassung führte dazu, dass die Eigentümergemeinschaft in der Insolvenz des Wohnungseigentümers nur dann selbst die Zwangsversteigerung beantragen könne, wenn sie vor Verfahrenseröffnung die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt hatte. Die Anordnung der Zwangsversteigerung könne nicht die Entstehung eines Absonderungsrechts zur Folge haben. In Parallele zur Grundsteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, welche nach § 12 GrStG als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhe, bestünden in den Hausgeldansprüchen dem Grundstück anhaftende private Lasten, auch wenn sich deren Inhalt ständig ändere. Die gesetzliche Haftung des Grundstücks ohne Titel für die bevorzugten Hausgeldansprüche folge aus § 45 Abs. 3 ZVG.

Trotz des Ausschlusses der Zahlungsklage aus § 10 Abs. 3 Satz 2 ZVG wegen der Insolvenzeröffnung könne die Eigentümergemeinschaft das Vorrecht im Absonderungsstreit mit der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung analog § 1147 BGB geltend machen. Allerdings müsse das Duldungsurteil den Besonderheiten des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG dergestalt Rechnung tragen, dass die dort enthaltenen Beschränkungen in die Urteilsformel aufzunehmen sind. Der Husgeldanspruch müsse auf 5 % des Verkehrswertes nach § 74a Abs. 5 ZVG beschränkt werden. Außerdem solle als Hinweis für das Vollstreckungsgericht deutlich werden, dass der Beklagte nur die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG zu dulden habe.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH vom 21.07.2011, Az. IX ZR 120/10


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